Am 31. Mai 2020 trat Harry Ebert als Bürgermeister von Burladingen (Zollernalbkreis) zurück. Gregor Götz, Ortschaftsrat aus Melchingen, nannte Ebert in einer Büttenrede treffend „Bonsai-Trump“. Er war deutschlandweit zeitweise der einzige Bürgermeister mit AfD-Parteibuch.
Für uns Antifaschist*innen von der Alboffensive ist der Rücktritt Eberts ein Grund zum feiern! Denn der Burladinger Bürgermeister war ein anschauliches Beispiel für die Sorte von Bürgermeister*innen, die nicht nur blind gegenüber rechten Vorkommnissen sind, sondern die vielmehr Teil des Problems sind.
Unsere Probleme mit Ebert fingen aber nicht erst mit dessen Eintritt in die AfD an. Vielmehr war der Beitritt für uns nur die wenig überraschende Konsequenz seines bisherigen Weges nach rechts.
Kritischer Rückblick
Ebert ist ein ehemaliger Polizist und ist seit 1999 als Nachfolger von Michael Beck Bürgermeister von Burladingen. Er wurde 2007 und 2015 wiedergewählt. Seine dritte Amtszeit sollte eigentlich erst 2023 enden.
Ebert war ursprünglich kurz CDU-Mitglied und wechselte dann zu den Freien Wählern, für die er eine Periode lang im Kreistag saß.
Ebert wurde schon früh negativ auffällig.
* Als im März 2007 mit Axel Heinzmann ein extrem rechter Bürgermeisterkandidat in Burladingen kandidierte rief die Gewerkschaft „IG Metall“ Albstadt dagegen mit ihrer „Burladinger Erklärung“ zu friedlichen Gegenprotest auf. Der Bürgermeister Harry Ebert verweigerte mitsamt der Stadtverwaltung der „IG Metall“ damals das Feuerwehrgerätehaus für eine Gegenveranstaltung.
* Als am 17. Oktober 2012 eine Feierstunde an der Grabstätte der Burladinger Sinti-Familie Reinhardt anlässlich deren Einweihung als Gedenkstätte stattfand, fehlte der Bürgermeister.
Damals kommentierte der Journalist Hardy Kromer am 18. Oktober 2012 treffend:
„Umso mehr verwundert und beschämt die Missachtung, die Bürgermeister Harry Ebert der gestrigen Gedenkfeier zuteil werden ließ. […] Viele Gäste der gestrigen Denkmalfeier-Gesellschaft zeigten sich verstört und erschüttert darüber, welches Maß an Geschichtsvergessenheit im Burladinger Rathaus vorzuherrschen scheint. Da braucht das Stadtoberhaupt am nächsten Volkstrauertag, wenn wieder offiziell der Opfer von Krieg und Gewalt gedacht wird, gar nicht viel zu sagen. Sein peinliches Fehlen und Schweigen von gestern spricht schon Bände.“
Irmgard Winter-Reinhardt berichtete auch von einer jahrelangen Auseinandersetzung mit der Stadtverwaltung, die auch vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen ausgetragen wurde. Bürgermeister Ebert habe jeden Kontakt mit ihr verweigert und sich erst spät gesprächsbereit, aber nicht kompromissbereit gezeigt.
* Als im September 2013 in Gauselfingen, einem Teilort Burladingens, ein Neonazi-Graffiti, ein Keltenkreuz mit den Buchstaben WPWW (‚White Power Worldwide‘), auftauchte, reagierte niemand auf die mehrfachen Bitten der Alboffensive um eine Entfernung. Alboffensive-Aktivisten nahmen es schließlich selbst in die Hand und übermalten das Graffiti.
* Im Mai 2015 riet der Ex-Polizist und Bürgermeister Ebert in einem Interview mit dem „Schwarzwälder Boten“ ernsthaft dazu Hitlergrüße – eine Straftat – zu ignorieren:
„Meiner Meinung nach gibt es zwei Möglichkeiten, auf solche Vorfälle zu reagieren. Erstens ich empöre mich und zeige mich schockiert oder ich reagiere durch Ignorieren. Ersteres spielt den braunen Spinnern in die Karten. Denn sie wollen durch ihre Aktionen ja gerade provozieren und schockieren. Letzteres zeigt ihnen, dass man sich durch solche Aktionen eben gerade nicht aus der Fassung bringen lässt. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden und bin mir bewusst, dass es darüber auch andere Meinungen gibt. Aber letztlich kommt es in dieser Sache auf meine Meinung an.“
* Ebert hielt Januar 2017 seinen Gemeinderäten vor, sie seien mit dem Besuch einer Geflüchteten-Unterkunft auf „Asylantenschau“ gegangen. Zudem bezeichnete er sie als „Landeier“. Der CDU-Fraktion warf er vor, sich in „Kadavergehorsam“ der Parteivorsitzenden Angela Merkel gegenüber „von einem Sozialarbeiter des Landratsamts durch die Manege führen“ zu lassen.
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Hechingen bewertete der Burladinger Rathauschef als „klaren Rechtsbruch“; besser wäre es seiner Meinung nach, diese per „One-Way-Ticket“ zurück in deren Heimat zu schicken.
* Ebert nahm am 8. September 2017 in der Stadthalle in Burladingen an einem AfD-Bürgerdialog mit diversen AfD-Prominenten teil.
Auch online näherte sich Ebert der AfD an. Seit Januar 2016 postete er immer wieder Wahlwerbung der AfD. Auf seinem privaten Facebook-Account vergab er damals Likes für: „Merkel muss weg“, Frauke Petry „Aufwachen Deutschland“ oder „Ich bin stolz, Deutsch zu sein“.
Am 8. März 2018 trat Ebert dann offiziell der AfD bei und im Juni 2018 wurde er Beisitzer des AfD-Ortsverband Burladingen.
Mehrfach trat er bei der AfD seitdem als „unser Bürgermeister auf“, so im Juni 2018 in Uhingen und im August 2019 in Böblingen.
Zusätzlich zu seinem politischen Engagement in der AfD zerstritt er sich mit seinem Gemeinderat und der Presse. Unter anderem für die von ihm veranlasste Aussperrung von Mitarbeitern des „Schwarzwälder Boten“ aus städtischen Gebäuden erhielt er den Negativ-Preis „verschlossene Auster“ des bundesweiten „Netzwerk Recherche“.
Gleichzeitig ermittelte die Staatsanwaltschaft Hechingen wegen des Verdachts der Amtsanmaßung, weil Ebert 2017 in einer Feuerwehruniform aufgetreten war, deren Schulterklappen ihn als Branddirektor auswiesen, ohne das er überhaupt Mitglied der Feuerwehr war.
Dieser Mehrfronten-‚Krieg‘ dürfte Ebert ausgelaugt und erschöpft haben, so dass er zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtsperiode zurücktritt.
Wir als Alboffensive sind alles andere als traurig darüber.
Fazit: Ebert ist weg und nun?
Zu einfach wäre es, in Burladingen nur auf den Bürgermeister zu fokussieren und anzunehmen mit dessen Rücktritt hätten sich alle Probleme gelöst. Die Probleme liegen tiefer und sind vielschichtiger. Seit Beginn der 1990er Jahre existiert in und um Burladingen eine subkulturelle Neonazi-Szene, die immer wieder durch gewalttätige Übergriffe auffällt.
Hinzu kommen Reichsbürger, die versuchen sich zu bewaffnen, und ein Alltagsrassismus, der sich zuletzt im symbolischen Lynchen einer als chinesisch markierten Puppe äußerte.
Dass Burladingen eine Wahlhochburg der AfD ist und über einen eigenen AfD-Ortsverband verfügt, der zu Ostern 2020 ein Bild vom Faschisten Björn Höcke auf Facebook postete, dürfte da kaum noch überraschen.
Burladingen ist ein gutes Beispiel dafür dass auch in Baden-Württemberg rechte Hochburgen existieren. Allerdings ist in dieser Problem-Verdichtung Burladingen sicher mit an der Spitze solcher Fälle.
Wir als Alboffensive versuchen dagegen aktiv zu werden. So führten wir mehrere Veranstaltungen in Burladingen durch. Wir werden auch in Zukunft am Ball bleiben.