Am 21. Februar 2020 wurde in Burladingen von einer Karnevals-Zunft im Rahmen eines Rituals eine Puppe aufgehängt, die durch ihre Kleidung und ihre Kopfbedeckung als Chinese markiert wurde. Gleichzeitig trug die Puppe auch eine Atemschutzmaske, offenbar um sie ebenso als Überträger des Corona-Virus zu kennzeichnen.
Ein paar Tage später wurde die Puppe nach aufbrandender Kritik wieder abgenommen.
Für viele ist klar dass es sich bei der ‚Chinesen-Puppe‘ um eine rassistische Darstellung handelt. Wir als Alboffensive teilen diese Einschätzung, möchten aber gerne nochmal erläutern warum wir das Aufhängen einer ‚Chinesen-Puppe‘ in Burladingen für mehr als problematisch halten.
Besonders das über Symbolik die mehr als einer Milliarde Bewohner*innen eines Landes zu Krankheitsüberträger*innen und damit zur Gefahr gemacht werden, halten wir für eine rassistische Sichtweise. Daran ändert nichts dass der derzeit kursierende Coronavirus tatsächlich aus China stammt. Eine derart grob verallgemeinernde Darstellung stellt über eine Milliarde Menschen unter Generalverdacht.
Die aufgehängte Puppe sah nicht nur für sich genommen gruselig aus, die Szene wirkte auch – ob gewollt oder ungewollt – wie die Nachstellung eines Lynch-Mordes.
Das hat auch immer etwas Bedrohliches und Angst-Erzeugendes. Um dafür Verständnis zu erzeugen würden wir die Burladinger*innen bitten, kurz zu versuchen sich in eine chinesische Touristin hineinzuversetzen, die sich nach Burladingen verirrt und diese Puppe erblickt. Wem würde aus dieser Perspektive nicht mindestens mulmig zumute werden?
Statt auf einem Verschanzen hinter einer „Ich bin kein Rassist!“-Haltung hoffen wir auf eine Einsicht der Beteiligten dass es eine rassistische Handlung ist, symbolisch eine Bevölkerungsgruppe als Krankheitsträger*innen zu markieren und diese dann ebenso symbolisch aufzuhängen.
Wir sagen das wir die Tat und ihre Wirkung für rassistisch halten, aber nicht unbedingt alle Beteiligten.
Kurzer Exkurs: Deutsche Kolonialgeschichte in China
Klischeehafte Darstellungen von Chines*innen und China-Bilder schweben nicht einfach im luftleeren Raum. Eine häufig übersehene historische Tatsache ist dass das Deutsche Kaiserreich auch in China von 1898 bis 1914 eine Kolonialmacht war. Um 1900 kam es im Rahmen der Niederschlagung von antikolonialen Aufständen zu Strafexpeditionen in China, an denen auch deutsche Truppen beteiligt waren.
In der berüchtigten „Hunnenrede“ von Kaiser Wilhelm II. von Hohenzollern am 27. Juli 1900 in Bremerhaven bei der Verabschiedung des deutschen „Ostasiatischen Expeditionskorps“ zur Niederschlagung des so genannten „Boxeraufstandes“ („Yihetuan-Aufstand“) im Kaiserreich China rief der Kaiser seinen Truppen zu: „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!“
In der Folge wurden ganze Dörfer kurzerhand niedergebrannt und in vielen Fällen auch große Teile der Bevölkerung rücksichts- und unterschiedslos niedergemetzelt. Es wurden schätzungsweise mehr als 100.000 Chines*innen ermordet.
Damals entstanden rassistische Klischees von Chines*innen, die zum Teil auch heute noch den Blick auf China prägen.
Das hat mit Burladingen erst einmal natürlich nichts zu tun, aber immerhin etwas mit dem Zollernalbkreis, in dem sich die Stammburg der Hohenzollern befindet.
Außerdem können die kolonial verformten Bilder von China in Zeiten der Coronavirus-Panik wieder verstärkt reaktiviert werden. Dazu sind Darstellungen wie die der ‚Chinesen-Puppe‘ durchaus geeignet.