Albstadt: rassistische Groß-Demonstration am 22. Oktober

In Albstadt-Ebingen fand am 22. Oktober 2023 eine rassistische Groß-Demonstration mit 800 Personen statt. Bei der Veranstaltung handelte es sich eigentlich um die regelmäßige Sonntags-Demo von „Albstadt steht auf“, einer Gruppe von Pandemie-Leugner*innen, diesmal aber eben zum Thema Asyl. Diese Themen-Wahl führte offenbar zu einem auch für die Demo-Organisator*innen unerwarteten Zuspruch von rassistisch eingestellten Bürger*innen aus Albstadt. Deren Unmut entzündete sich derzeit an der geplanten temporären Unterbringung von 100 Geflüchteten in der Kreissporthalle.

Veranstalter der Demonstration war die Gruppe „Albstadt steht auf“, die von dem Netzwerk „Baden-Württemberg steht auf“ unterstützt wurde.
Beide sind Überbleibsel der Corona-Proteste der Pandemie-Leugner*innen. Diese haben sich im Kern zu antidemokratischen, systemoppositionellen und verschwörungsideologische Gruppen nach rechts radikalisiert.
In ihren Demo-Aufrufen forderte „Albstadt steht auf“ u.a. „Tut es für das Vaterland, Jagd [sic!] die Grünen aus dem Land!“ (28.05.2023), „Schluss mit der Klimalüge“ (02.07.2023) oder „Wir sagen Nein zu eurer Scheiß neuen Weltordnung!“ (16.07.2023).

Der Veranstalter der Demonstration
Als Veranstalter der Demonstration am 22. Oktober wird Marco Stumpp, Jahrgang 1973, aus Albstadt genannt [1].
Dass Stumpp laut Bericht im „Zollernalbkurier“ darum bat „rechtsradikale und ausländerfeindliche Parolen zu unterlassen“ [1], mutet wie eine Realsatire an, wenn man sich näher mit ihm beschäftigt. Noch am 18. Oktober 2023 nannte Stumpp Geflüchtete auf Facebook „Pest“: „Das sind keine Flüchtlinge, das ist die Pest, die da kommt!“

Ausweislich seines Facebook-Profils ist Stumpp der extremen Rechten zuzuordnen.
So postete er bereits im Mai 2017 Bilder mit den antidemokratischen Farben Schwarz-Weiss-Rot.

Ebenso im Mai 2020.
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Außerdem relativierte er die NS-Verbrechen gegen Juden als er das Bild eines Buttons postete, was den NS-Judenstern mit dem Wort „ungeimpft“ zeigt.

Zudem schrieb er von Lügenpresse: „Es sind und bleiben Lügenmedien und eine Lügenpresse!“.

Außerdem glaubt er an die Chemtrail-Verschwörungserzählung

Mittendrin: die AfD
Unter den teilnehmenden Gruppen war auch die AfD zahlreich und gut sichtbar vertreten. Im Nachgang schrieb sie auf Facebook: „Zum Abschluss hat der Veranstalter unseren beiden Landtagsabgeordneten das Wort erteilt. Joachim Steyer (MdL) aus Burladingen legt wie gewohnt forsch los und entlarvte das Märchen der zugewanderten „Fachkräfte.“ Danach übernahm Hans-Peter Hörner (MdL) und forderte die Menschen auf nicht nachzulassen und weiter zu kämpfen für unsere Heimat. „Ich marschiere mit Euch bis nach Berlin“ kam bei den Menschen sehr gut an und es gab sehr viel Beifall.“
Steyer behauptete in seiner abgelesenen, also vorbereiteten Redet: „Messerstechereien, Massenvergwaltigungen, NoGo-Areas gehören mittlerweile zum unserem Alltag.“ [2]
Hans-Peter Hörner behauptete in seinem Redebeitrag über Geflüchtete: „Das sind nichts anderes als Invasoren“ und warnte „Wir bauen hier in Deutschland eine Militärarmee auf.“ [2]

Das zwei AfD-Landtagsabgeordnete sprechen durften ist kein Ausfall, sondern passt gut zum Charakter der Demonstration in Albstadt.
Auch der Demo-Veranstalter Marco Stumpp gibt sich auf Facebook als ein offener AfD-Sympathisant zu erkennen.

Inhalte: rassistische Hetze
Bei Youtube existieren Film-Schnipsel der Reden, die Teile der Reden vom Sonntag wiedergeben. In einem wirft eine Frau zum Beispiel Geflüchteten pauschal, und damit rassistisch, vor, diese würden „unsere Werte mit Füßen treten“ und „auf unseren Glauben, tschuldigung, scheißen“ [3].
Laut „Zollernalbkurier“ kritisierte eine – andere oder dieselbe – Rednerin dass die Regierung nur „Inflation, Lügen und Entdeutschung“ [1] gebracht habe. Es ist davon auszugehen dass der Vorstellung von einer angeblichen „Entdeutschung“ nationalistisch-rassistische Weltbilder zugrunde liegen.

Angriffe und Bedrohung gegen den antirassistischen Gegenprotest
Es gab eine kleine Gegendemonstration gegen den rassistischen Aufmarsch in Albstadt. Nach unseren Informationen wurden diese nicht nur aus der Masse angefeindet, sondern auch im Anschluss verfolgt und laut „Schwarzwälder Bote“ kam es auch zu einem Angriff auf Gegendemonstranten [4]: „Bei der Kundgebung gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in der Kreissporthalle am Sonntag ist ein 38-Jähriger von der Polizei festgenommen worden. Er hatte eine Person in der Gegendemonstration angegriffen und ein Plakat mit der Aufschrift „Flüchtlinge willkommen“ entrissen und es beschädigt.“
Weiter heißt es in dem Artikel: „Bei dem Mann soll es sich nicht um einen Teilnehmer der Kundgebung, sondern um einen unbeteiligten Passanten gehandelt haben, teilt das Polizeipräsidium Reutlingen auf Nachfrage unserer Redaktion mit.“
[4]
Tatsächlich liegen uns ein glaubwürdiger Bericht vor, der den Angreifer der Demonstration zurechnet. Doch das war nicht der einzige Vorfall an diesem Tag. Die „Alboffensive“ hatte Kontakt mit einer Betroffenen, die sich an sie gewendet hat und ein bedrohliches Szenario beschrieben hat. Mit Erlaubnis der Betroffenen veröffentlichen wir den gesamten Bericht:
„Während der Demonstration wurde ich von einem blonden etwa 20 Jahre altem Mann und seinen Freunden beobachtet. Ich wurde gefilmt und 3 von ihnen liefen mir nach der Demonstration offensichtlich hinterher. Sie sahen sehr aggressiv aus, zudem waren alle von ihnen größer und mindestens 2 mal breiter als ich. Ich sah das sie versuchten mir den Weg Richtung Bahnhof und Busbahnhof zu versperren um mich dort evtl abzufangen. Ich schaute wie ich unbemerkt davon kommen könnte, schaffte es aber nicht. Ich besprach mit dem anti konflikt team der polizei die Situation und diese boten mir an die 3 Männer kurz in ein Gespräch zu verwickeln, sodass ich unbemerkt gehen könnte. Dies klappte auch. Ich musste jedoch noch länger auf meine Verbindung warten, weshalb ich in einem Restaurant in der Nähe des Busbahnhofs wartete. Dabei merkte ich das ein weiterer Mann, welcher deutlich älter war als die vorherigen, mir auflauerte und mich andauernd komisch anschaute, er machte etwas an seinem Handy und saß etwa 20 Minuten in dem Restaurant ohne etwas zu bestellen (währenddessen schaute er regelmäßig zu mir rüber). Ich konnte ihn als Teilnehmer der vorherigen Demonstration identifizieren. Nach einiger Zeit kam ein weiterer älterer Mann, der auch bei der Demonstration war und lief 4 mal an dem Restaurant vorbei. Danach stellte er sich zusammen mit dem anderen Mann in eine Ecke am Bahnhof. Von dort aus konnte ich sie nurnoch schlecht sehen. Ich beobachtete meine Umgebung genau und nach weiteren 10 Minuten sah ich wie der junge Blonde Typ sich an das eine ende des Bahnhofs flankierte, dieser hatte jetzt deutlich mehr Freunde da. (Anzumerken ist, dass ich ihn nur aus sehr weiter Entfernung sah und ihn an seiner Statur und seinem Pulli vermeintlich erkannte). Ich änderte meine Position und sah, dass einer der alten Männer von der anderen Seite des Bahnhofs aus zum Zug lief, der inzwischen in dem Bahnhof hielt, und diesen ablief und genau in die Fenster rein schaute. Er stieg nach 2 Fachen ablaufen des Zugs nicht ein.
Ich schaffte es mich Sicher aus der Situation zu bringen. Wie werde ich nicht erwähnen um meinen Wohnort und meine Identität zu schützen.
Als ich zuhause ankam zitterte ich. Ich hatte in dieser Stunde größte Angst um meine Körperliche Unversehrtheit gehabt, in den Tagen danach und jetzt habe ich teilweise Panik wenn ich in Ebingen bin, ich bin extra vorsichtig geworden und kann einfach das Gefühl nicht abschütteln, dass die Jungs irgendwo wieder auftauchen könnten wo ich nicht so einfach verschwinden kann. Doch vor allem bin ich wütend, denn ich weiß dass es das Ziel dieser Menschen war mich einzuschüchtern, sodass ich eben nicht mehr meine Meinung äußere und am besten mich nicht einmal mehr aus dem Haus traue. Ich bin wütend darauf das ich Angst habe und werde deshalb aktiv weiter mein Ding durchziehen“

Bürgermeister von Albstadt spricht auf rechter Demonstration
Dass der Roland Tralmer, der Oberbürgermeister von Albstadt, auch auf der Demonstration gesprochen hat, ist gelinde gesagt ein Skandal. Er sprach offenbar in dem fehlgeleiteten Versuch rassistische Ängste zu kontern und auch um Anfeindungen gegen die Lokalpolitik bzw. Kritik an mangelnder Transparenz entgegen zu treten.
Doch war die Demonstration keine spontane Unmut-Bekundung in der Bevölkerung, sondern der Oberbürgermeister sprach in Albstadt auf einer Demonstration, die von einem Pandemie-Leugner und Rechtsradikalen veranstaltet wurde. Das muss ihm bekannt gewesen sein. Keinem Bürgermeister eines so kleinen Ortes entgeht es dass da jeden Sonntag eine Demonstration stattfindet.
Ihm ist weiter eine Empathielosigkeit und Ignoranz in Richtung der Gegendemonstrierenden vorzuwerfen, die angegriffen, bedroht und verfolgt wurden.

Fazit: rassistische Bürger*innen treffen auf verschwörungsideologisches Demo-Angebot
In Albstadt-Ebingen hat eine größere rechte Demonstration stattgefunden. Die Demonstration war eine Veranstaltung in einer Demonstrations-Serie, die jeden Sonntag in Albstadt-Ebingen von Pandemie-Leugner*innen organisiert wird.
Die allgemeine rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete und die spezielle Diskussion über die übergangsweise Unterbringung von Geflüchteten in einer Turnhalle führten zu einer entsprechenden Mobilisierung in rassistischen Teilen der Bevölkerung.
Dabei ist das Motiv der Demo-OrgansatorInnen in Albstadt aber nicht nur eine Feindschaft gegen Geflüchtete, sondern auch eine generelle, verschwörungsideologisch aufgeladene Systemfeindschaft.
Das der Bürgermeister auf einer Demonstration gesprochen hat, die von einem mutmaßlichen Antidemokraten veranstaltet wurde, ist ein Skandal.

[1] Holger Much, Olga Haug: „Man hat Albstädter Bürger nicht gefragt“: 800 Demonstranten ziehen durch Ebinger City, Zollernalbkurier, 22.10.2023, https://www.zak.de/Nachrichten/Man-hat-Albstaedter-Buerger-nicht-gefragt-400-Demonstranten-ziehen-durch-Ebinger-City-158652.html
[2] 22.10.2023 DEMO ALBSTADT 2, AP24NEWS3, httpx://www.youtube.com/watch?v=PH_D-TCXT3s
[3] Demonstration in Albstadt am 22.10.23 Die Menschen sagen NEIN zur Flüchtlingsstelle Kreissporthalle.
httpx://www.youtube.com/watch?v=iffBociq8zA
[4] Karina Eyrich: Angriff auf Gegendemonstranten, „Schwarzwälder Bote“, 23.10.2023, https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.bei-kundgebung-in-albstadt-angriff-auf-gegendemonstranten.721f09b7-a6b9-4e9b-82b2-f3b453dd1466.html

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