ein Gedicht über das KZ Dautmergen

Die Wolken kreisten um den Berg

Die Wolken kreisten um den Berg wie Milchkühe,
Und der Berg stand geduldig da, ganz mit Wald bewachsen.
Der Wald war hochstämmig, emporstrebend wie ein Tannenurwald
Und ich – schaute von den Gleisen aus, auf eine Schaufel gestützt auf den Bahndamm.

Die Schaufel – das schlüpfrige Eisen, lag gut in den Händen,
es war windgeschützt am Damm, in der tiefen Grube,
Menschen zogen Waggons auf Gleisen wie Lastpferde,
in den Waggons waren Steine, aus denen man Öl macht.

Zunächst hoben wir Gräben aus und da waren wir zu viert:
ein Belgier, ein Franzose, ein Norweger und ich. Wir marschierten zusammen in einer Reihe,
bis während eines Schneesturms die Reihe auseinander gerissen wurde,
der Belgier hatte keine Kraft mehr, weiter zu gehen: Mit Gewehrkolben haben sie in tot geschlagen.

Dann trugen wir Rohre. Es war schwer, zu dritt zu gehen.
Ich sagte: „Bleib im Schritt, geh gleichmäßig, mein Freund.“
Der Franzose biss sich auf die Lippen und starrte leblos ins Weite,
und schwieg – aber weiter konnte er nicht mehr. Nach dem Morgenappell schlugen sie ihn tot.

Jetzt zerbrachen wir Steine. Die Spitzhacke glänzte in der Sonne
und glitt über die Steine, und fiel aus den ungeschickten Händen.
Der Norweger schaute zu den Bergen (ich kenne seinen Namen: Christian)
und auch er – konnte nicht mehr weiter. Er ließ die Hacke liegen und stand auf – blass.

Und er ging zum Posten, und er schaute ihm direkt in die Augen und sagte:
„Auch wenn du ein Deutscher bist, ich werde nicht mehr arbeiten, erschlag mich.“
Querfeldein ging er los in Richtung der Berge. Der Posten lachte kurz auf, zischte:
„Verfluchter Norweger“, und nahm das Gewehr von der Schulter.

Und die ganze Zeit gab es Schnee, Schlamm im Lager und Sport,
jeden Tag krochen wir im Dreck wegen schlecht zusammengelegter Bettdecken,
von fernen, großen Lagern kamen zu uns neue Transporte
und es brodelte in den Blocks wie in einer Teufelsmühle mit hundert Seelen.

Und wir waren wieder zu viert. Ich, ein Norweger, ein Franzose und ein Belgier,
dieselben spöttischen Posten, dasselbe Ausheben des Grabens.
Die Schaufel, das gute Eisen, hilft beim Schneeschippen.
Und nur die Hände werden steif. Und bei Fieber schmerzt der Kopf.

Die drei Kameraden aus dem Graben hoben ihre Spitzhacken hoch
und solange die Kraft reichte, zerhackten sie mit Schwung die Erde.
Wissend schaute ich sie an und den Berg hinter ihnen in den Wolken,
und auf die Schaufel gestützt, überlegte ich, ob ich noch weiter kann.

Über uns, hoch bis zum Himmel, ganz aus Stein und Eis,
funkelte der Berg wie Glas, wie Wolken aus Wolle und Tannennadeln
– wir verlegten die Bahnschienen, vor Hunger und Kälte wankend
– und der Berg, umhüllt von Wolken, stand wie eine geduldige Wiese.

Warum schreibe ich darüber? Mit den drei Kameraden
na ja – kann ich nicht mehr weiter und schaue auf den weiten Berg?
Liebe und Hass, Tod und Leben gibt es nicht.
Es gibt nur die ruhige Erde, und in ihr – den Körper eines Menschen.

 

Tadeusz Borowski (1922-1951), des polnischer Schriftsteller, war im KZ Dautmergen inhaftiert

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