Hechinger Jüdische Geschichte(n)

Im Jahr 1997 erschien erstmals das Büchlein „Das Hechinger Heimweh. Begegnungen mit Juden“ von Adolf Vees. Vees hat seit 1977 zum Thema jüdische Geschichte in Hechingen recherchiert. Herausgekommen ist dabei zwanzig Jahre später weniger ein Geschichtsbuch denn mehr ein Geschichtenbuch. Diese einzelnen ‚Geschichten‘ sind historische Dokumente, Kurzbeschreibungen, Erzählungen oder Korrespondenzen, die alle Jüdinnen und Juden in Hechingen bzw. mit Bezug nach Hechingen betreffen.
Dankenswerterweise werden im Buch für Unkundige jüdische Rituale, lokale Ortsbezeichnungen oder hebräische Begriffe nochmal in Fußnoten erläutert.
Vees hat im Verlauf seiner Recherche damals noch jüdische Zeitzeug*innen getroffen, die dem NS-Massenmord entkommen und zerstreut in die Welt geflüchtet sind, z.B. nach Argentinien, Brasilien, USA und das damalige Palästina.

Es geht in dem Buch nicht nur um die Geschichte der Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Hechingen. Es geht auch um das Schicksal jüdischstämmiger Menschen.
Etwa die Geschichte des jüdischstämmigen evangelischen Pfarrers Katz, der 1934 aus Hechingen vertrieben wurde. Oder die Geschichte von Ernst Rosenfeld, der seit 1929 als preußischer Amtsrichter in Hechingen lebte und der später in Haigerloch versteckt bis 1945 überlebte. Oder der Arzt Friedrich Wolf (1888-1953), der als Theaterschriftsteller und -regisseur wirkte.
Für Linke am interessantesten ist sicher der, aus einer jüdischen Familie aus Hechingen stammende, Paul Levi (1883-1930). Levi war der Anwalt von Rosa Luxemburg und Mitbegründer des Spartakusbundes. Der aus dem Spartakusbund hervorgegangenen KPD gehörte er bis 1921 an. Seine Kritik an Putschismus und Terror, also an der Linie Lenins, führten 1921 zum Ausschluss aus der KPD. Er wechselte zur SPD, in der er aber Marxist und Sozialist blieb.
Albert Einstein schrieb über Levi nach dessen Tod: „Die soziale Gerechtigkeit der Propheten – in diesem Einen war sie lebendig. Möge sein Andenken nie erlöschen.“
Einsteins zweite Frau war übrigens eine gebürtige Hechinger Jüdin.

Dr. Adolf Vees kommt der Verdienst zu, unterschiedliche Erinnerungssplitter jüdischer Geschichte in Hechingen aufgesammelt und in einem Buch zusammen gestellt zu haben.
Zwar fehlt manchmal ein wenig der rote Faden, aber die Lektüre lohnt sich für alle an dem Thema Interessierte.

Adolf Vees: Das Hechinger Heimweh. Begegnungen mit Juden, Tübingen 1999.
– leider nur noch antiquarisch erhältlich.

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